40 Jahre - AIDS-Hilfe Bremen e.V. Zentrum für Suchterkrankungen und sexuelle Gesundheit

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1985 – 1990 Die Gründungsphase

Die ersten eigenen Räume der Aids Hilfe Bremen e.V. befanden sich auf dem Klinikgelände des St. Jürgen Krankenhauses. Es war ein kleiner Barackenbau mit zwei Büroräumen und einem Gruppenraum. Die Aufgaben der AHB bestanden hauptsächlich in der Aufklärung der Allgemeinheit zum Thema Aids. Wie kann man sich anstecken und wie ist eine Übertragung vermeidbar?

Relativ rasch machten sich die Betroffenen mit ihren Bedürfnissen bemerkbar. Es gab keine Ärzte, die eine HTLV-III Infektion behandeln konnten, keine Erfahrungen im Umgang mit Infizierten und keine Informationen über den Verlauf der Erkrankung. Die erste Positivengruppe bestand aus 5 schwulen Männern zu der sich eine heterosexuelle Frau gesellte. Die Ängste, schwer zu erkranken, in absehbarer Zeit zu sterben und die gesellschaftliche Abweisung, Isolation in den eigenen sozialen Bezügen waren die vorrangigen Themen der Gruppe. Darüber hinaus wurden Erfahrungen im Bereich der Behandlung ausgetauscht.

1990 – 1995 Tod, Trauer und Bewältigung

Die erste Hälfte der 90er Jahre war durch schwere Erkrankungen und vielfaches Sterben geprägt. Die Medizin war der Aids- Erkrankung weitgehend hilflos ausgeliefert. Man war zwar in der Lage, die meisten opportunistischen Infektionen zu behandeln, die Vielzahl der Erkrankungen, sowie die Sekundärprophylaxe überforderten die meisten Erkrankten, Auszehrungen durch das „Wasting-Syndrom“ stigmatisierten die meisten Infizierten. Die Aids Hilfe Bremen e.V. erweiterte sich um das Modellprojekt „Betreutes Wohnen“ für substituierte Drogenabhängige und betreute 12 Menschen mit HIV-Aids in ihren Wohnungen. Der 1994 gegründete Pflegeverband „Regenbogen“ widmete sich hauptsächlich der medizinischen Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden. Zu dieser Zeit bezog die Aids Hilfe Bremen e.V. die Räume Am Dobben 66. Mit dem Erbe des verstorbenen Klienten Jörg B. wurde der Krisenfonds der AHB gegründet, mit dem bis heute Betroffene kurzfristig und unbürokratisch unterstützt werden können.


1995 – 2000 Professionalisierung

Die fortschreitende Professionalisierung sozialer Arbeit machte auch vor der AHB nicht Halt. Es wurden zwei gemeinnützige GmbH´s gegründet und ein Geschäftsführer berufen. Veränderungen im Pflegesatzbereich machten die Einstellung der Krankenpflege notwendig. Richtungsauseinandersetzungen über den künftigen Weg sorgten für interne Auseinandersetzungen und zur Absetzung der bisherigen Geschäftsführung. Die überregionalen Aktivitäten der AHB fanden ihren Höhepunkt in der Organisation und Durchführung der Bundesversammlung der Menschen mit HIV/Aids im Mariott Hotel Bremen. Über 600 Menschen mit HIV/Aids hielten ihren Kongress in der Hansestadt ab, der von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet wurde. Die Aids- Erkrankung erwies sich zum ersten Mal begründet als ursächlich behandelbar. Das massive Sterben der Menschen mit HIV/Aids ebbte ab 1996 sichtbar ab. Schwere Erkrankungen im Zusammenhang mit HIV/Aids wurden seltener. Gefragt wurde jetzt oftmals die medizinische Kompetenz der Aids BeraterInnen.


2000 – 2005 Das Erich Kurschat Haus

Durch eine große Erbschaft war die AHB in der Lage, ein eigenes Haus zu erwerben. Die Räumlichkeiten am Sielwall 3 wurden im Jahr 2002 bezogen. Ende 2003 strich der schwarz-rote Senat des Landes Bremen die kompletten Fördermittel der Aids Hilfe. Es mussten 5 MitarbeiterInnen entlassen werden und Bremen war das erste (und einzige) Bundesland, ohne eine öffentlich geförderte Aids Hilfe.
Nun erwies sich der Erwerb des Hauses Sielwall 3 (Erich Kurschat Haus) als rettende Eingebung. Durch umfangreiche Spendensammlungen und das Engagement zahlreicher Bremer BürgerInnen war es möglich, die Aids Hilfe Arbeit auf zunächst kleinerem Level fortzuführen. Es wurden zahlreiche alternative Fördermittel gesucht und gefunden und bereits im Jahr 2005 wuchs die AHB wieder auf die Größe des Jahres 2002.
Inhaltliche Themen waren hauptsächlich die Weiterentwicklung von Präventionskonzepten, das Leben mit antiretroviraler Therapie (Compliance und Therapiemonitoring), Lebensperspektiven von Menschen mit HIV/Aids unter ART.


2005 – 2010 Neue Wege
Konsolidierung und neue Wege kennzeichneten die letzen 5 Jahre. Die Ausweitung der AHB um ein handwerkliches Beschäftigungsprojekt, den Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen, PC-Schulungen für Betroffene, tagesstrukturierende Maßnahmen, sowie das Online-Projekt „Druks“ ließen die AHB auf mittlerweile 15 MitarbeiterInnen anwachsen. Neue Arbeitsbereiche entstanden in der Hepatitis Beratung und der HIV/HCV Schnelltestung, neue Projekte in der Kooperation mit PAN-AFRIKA, die ihr Büro in unseren Räumen einrichteten und der Partnerschaft zwischen Dance4Life Deutschland und der AHB. Viele neue Arbeitsbereiche sind durch das Internet entstanden, wie z.B. eine Online Beratung beim größten deutschen Schwulen Kontaktportal "GayRomeo" sowie Vernetzung in den bekanntesten Social Media Angeboten.
Das nächste Projekt der Aids Hilfe Bremen soll das Intensiv Betreute Wohnen werden, welches der Tatsache Rechnung trägt, dass Menschen mit HIV auch älter werden und eine Perspektive für ein möglichst eigenständiges Leben im Alter bedürfen. Hierfür ist geplant, ein neues Projekt zu gründen und es nach einem weiteren Großspender (Kurt Frisch) zu benennen.


2010 - 2015  Alles neu

2012 war es endlich soweit. Die ersten Bewohner sind in unser Wohn-Projekt in Bremen Nord eingezogen. Während wir nach und nach die Anlage behindertengerecht ausbauen, konnten wir die ersten fertigen Räume belegen und bieten bis zu 8 Personen ein neues Zuhause.

"Schutz durch Therapie" fand den Einzug in unsere Beratungsstelle. Wer hätte das gedacht? Sex mit Positiven kann auch ohne Kondom sicher sein. Der neue Safer Sex Ansatz, dass jemand der sich mindestens ein halbes Jahr in einer erfolgreichen antiretroviralen Theraphie befindet, nicht mehr ansteckend ist, wird neben dem Gebrauch von Kondomen zu den Safer Sex Regeln gleichwertig anerkannt.

Und das führte unter anderem zu unserer nach Außen hin größten Neuerung. Dem Namenszusatz "Zentrum für Suchterkrankungen und sexuelle Gesundheit". An AIDS muss heutzutage hierzulande niemand mehr erkranken, dank der Fortschritte in der Medizin. HIV gilt mittlerweile als gut behandelbare chronische Infektion. Andere Geschlechtskrankheiten jedoch, insbesondere die Syphilis sind wieder auf dem Vormarsch. Auch Drogen haben den Weg in den Mittelstand geschafft und es ist nicht mehr der "typische Junkie", der uns beschäftigt. Es sind die Partydrogen, es sind "Uppers" und "Downers", die quasi als Lifestyledrogen alltagstauglich geworden sind. In Kombination mit den schnellen Dating-Möglichkeiten, die diverse Apps und Internetportale ermöglichen, gibt es einen signifikanten Anstieg von Geschlechtskrankheiten.

Die Prävention heutzutage kann nicht mehr in dem Rahmen der 80er und 90er fortgesetzt werden. Die AIDS-Hilfe Bremen hat in den letzten 5 Jahren neue Konzepte entwickelt. Diese werden in der Umbenennung jetzt auch nach Außen hin sichtbar.


2015 - 2020  Das PrEP Zeitalter

Die Entwicklung in der Medizin hat mittlerweile dafür gesorgt, dass sich der präventive Schutz vor HIV nicht mehr alleine auf die Nutzung von Kondomen beschränken muss. Mittlerweile gibt es neben Kondomen und dem "Schutz durch Therapie" einen dritten wirksamen Ansatz, nämlich die Einnahme einer sogenannten PrEP (Abkürzung für „Prä-Expositions-Prophylaxe“, auf Deutsch: Vorsorge vor einem möglichen HIV-Kontakt.) Bei dieser Schutzmethode nehmen HIV-negative Menschen ein HIV-Medikament ein, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Die Beratungsangebote und Test-Angebote wurden dahingehend nun erweitert, es gibt einen "PrEP-Check" bei dem auf alle sexuell übertragbaren Erkrankungen getestet wird, die vor dem Beginn einer PrEP abgeklärt werden müssen, sowie eine ausführliche PrEP-Beratung mit anschließender Übermittlung an HIV-Schwerpunktpraxen, die am Ende dann das Präperat verschreiben dürfen. Die Einrichtung eines "Testzentrums" im Haus der AIDS-Hilfe Bremen war die logische Konsequenz dem erweiterten Testangebot im Form einer neuen Räumlichkeit einen festen Platz einzuräumen. Dort wird auch ein HIV-Heimtest zur Selbstdurchführung verkauft.

Die sozialen Medien werden immer mehr zu wichtigen Kommunikationskanälen, über die wir die Menschen am effektivsten mit unseren Präventionsbotschaften erreichen können. Die Abkehr vom klassischen "Info-Stand" in der Fußgängerzone, die Auflösung von Selbshilfegruppen und die Reduktion von Print-Material in der Beratungsstelle sind Änderungen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben und weitestgehend durch vielfältige digitale Angebote ersetzt wurden. Das Ziel AIDS zu beenden bleibt oberste Priorität und dem sind wir ein gutes Stück näher gekommen.

Die ambulante Betreuung von Menschen mit Drogenerkrankungen und HIV-Diagnose, niedrigschwellige Testangebote auf sexuell übertragbare Erkrankungen, sowie die Betreuung und Versorgung von älteren Menschen mit Drogenbiografie und HIV sind nur drei Beispiele, wofür wir mit unserem Namen stehen und damit in Bremen einen wichtigen Beitrag in der Gesundheitsfürsorge leisten. Auch in den 20er Jahren werden wir zeitnah auf neue Entwicklungen reagieren und unsere Arbeitsangebote dahingehend anpassen, um für die Herausforderungen der nächsten Jahre gewappnet zu sein.




2020 - 2025  Corona, Krieg, Medikamentenmangel und Affenpocken (MPox)

Das Jahr 2020 brachte ein Déjà-vu der besonderen Art. Die neue Infektionskrankheit "Corona" stellte unser aller Leben binnen kürzester Zeit auf den Kopf. Schnell wurden Stimmen laut, die Erinnerungen an die frühen 1980er-Jahre weckten, als AIDS die Welt erschütterte. Die Panik war groß, Schuldige wurden gesucht, und teils bizarre Vorschläge kursierten, wie mit der Krankheit und den Infizierten umzugehen sei. Auch bei uns bestimmten Lockdowns, Kontaktsperren, unzählige Covid-Tests und schließlich Impfungen für Teammitglieder und Klient:innen den Alltag. Heute ist das Virus ein Teil unseres Lebens geworden, und wir haben gelernt, damit umzugehen. Am Ende hatte die Krise auch positive Auswirkungen, insbesondere auf die Arbeitswelt: Videokonferenzen ermöglichten flexiblere, ortsunabhängige Kommunikation, und viele Aufgaben konnten ins Homeoffice verlagert werden.
Im selben Jahr traf uns ein weiterer schwerer Schlag: Unsere langjährige Verwaltungskraft hatte unseren Verein über Jahre hinweg durch Betrug um eine nahezu sechsstellige Summe gebracht. Die Enttäuschung und der massive Vertrauensverlust waren groß, doch das Ausmaß der Tat nahm existenzbedrohende Züge an, da es sich um finanzielle Rücklagen handelte, die als Puffer für Gehaltszahlungen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vorgesehen waren. Es folgten ein Gerichtsprozess und die intensive Aufarbeitung der Geschehnisse. Leider führte diese belastende Situation dazu, dass unser Team auseinanderbrach und es zu Kündigungen kam. Gleichzeitig schieden einige Mitarbeitende altersbedingt aus, sodass wir innerhalb kürzester Zeit ein nahezu vollständig neues Team aufstellen mussten. Der finanzielle Schaden konnte auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens nicht vollständig ausgeglichen werden – ein Großteil der Summe blieb verloren. Eine positive Nachricht blieb jedoch: Spendengelder waren von dem Betrug nicht betroffen, sodass die Finanzierung wichtiger Projekte und die Unterstützung von Klient:innen in Not weiterhin sichergestellt werden konnten.
Der Kriegsausbruch in der Ukraine hatte auch spürbare Auswirkungen auf unsere Arbeit. Immer häufiger erreichten uns Anfragen von geflüchteten Ukrainer:innen, die in Bremen medizinische Versorgung benötigten, insbesondere um ihre HIV-Therapien fortzusetzen. Wie schon während der Fluchtbewegungen im Jahr 2015 konnten wir in dieser Zeit von Online-Übersetzern und den zahlreichen Unterstützungsangeboten unseres Dachverbands der AIDS-Hilfen profitieren.
Ein weiteres Thema, das uns beschäftigte, war der Umgang mit Mpox. Allerdings war der Einfluss der Mpox-Epidemie nicht mit dem der Corona-Pandemie vergleichbar. Die Infektionszahlen blieben überschaubar, und recht schnell standen Informationen sowie Impfangebote zur Verfügung – wenn auch letztere leider nicht immer in ausreichendem Umfang. Gleichzeitig kam es jedoch zu Engpässen bei bestimmten HIV-Medikamenten, darunter solchen, die für die PrEP eingesetzt werden. Unsere Beratungs- und Hilfsangebote richteten sich in dieser Phase oft darauf, gemeinsam mit Betroffenen Lösungen zu finden, wie und wo sie ihre benötigten Medikamente erhalten konnten. Parallel setzte sich unser Dachverband beim Gesundheitsministerium dafür ein, kurzfristige Lösungen zu schaffen und langfristig die Versorgung mit HIV-Medikamenten sicherzustellen.
Die letzten fünf Jahre waren turbulent und haben uns oft an die Grenzen unserer Belastbarkeit geführt. Doch aus diesen Krisen ist ein neues, starkes Team hervorgegangen, das zuversichtlich in die Zukunft blickt. Diese Stärke und der Wille zur Neuausrichtung machen uns fit für die Fortführung unserer wichtigen Arbeit. Was die Zukunft auch bringen mag – wir blicken optimistisch nach vorn.



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